Vom 18.01. bis zum 16.02. wurde in Bonn ein neues Modell ausprobiert, das für mehr „direkte Demokratie“ im Haushalt der Stadt sorgen soll. Bei „Bonn packt’s an“, der sogenannten „Bürgerbeteiligung am Haushalt“, wird der Eindruck erweckt, die Bürger_innen Bonns könnten sich aktiv an der Gestaltung der Bonner Finanzplanung beteiligen.
Wir halten dieses Projekt in der Art seiner Umsetzung und schon in seiner Intention für zutiefst zweifelhaft und kritikwürdig.Mit der Abstimmung über die sog. „freiwilligen Leistungen“ steht nur ein kleiner Teilbereich des Haushalts (ca. 10-15% des Gesamtetats) überhaupt zur öffentlichen Debatte. Anderes zumindest genauso Abstimmungswürdiges, wie unsinnige Prestigeprojekte (WCCB) oder horrende Verwaltungsausgaben, bleiben fest in der Hand der Stadt.
Abgesehen davon ist, wie von verschiedenen Seiten bereits kritisiert wurde, bei der anonymen Online-Befragung Ausgewogenheit überhaupt nicht gewährleistet: Zum Einen können sich auch Nichtbonner_innen beteiligen – zum Anderen kann in keiner Weise ausgeschlossen werden, dass Lobbygruppen und Interessenverbände die Befragung manipulieren.
Vorschläge der Bürger_innen sind für die Stadt nicht bindend, sondern müssen ganz im Gegenteil noch ein (aus-)sortierendes Gremium der Verwaltung durchlaufen, bevor sie überhaupt der Politik (nicht den Bürger_innen!) zur Entscheidung vorgelegt werden.
An wirklicher Partizipation der Bonner_innen hat die Stadt also gar kein Interesse, vielmehr geht es hierbei um die Legitimation von massiven Sozialkürzungen. So ist es überaus interessant zu beobachten, dass die neuen Forderungen nach „Bürgerbeteiligung“ am Haushalt erst jetzt, in Zeiten der kommunalen und globalen Finanzkrisen, eine Rolle spielen.
Durch die vorgeschobene Beteiligung soll uns vermittelt werden, dass wir alle gemeinsam nun ein „Problem anpacken müssten“ – daher schon der zynische Name der Kampagne „Bonn packt’s an“. Haben wir als Bürger_innen ein riesiges Finanzloch im Etat verursacht, dass wir nun alle die Konsequenzen dafür tragen müssen?
Eine ernsthafte Reflexion und Ursachenforschung, wie es zu solchen Problemen kommt, findet nicht statt!
Dabei ist Bonn hier nicht losgelöst zu betrachten, denn nicht nur diese Stadt gebärdet sich eher als wirtschaftliche Verwalterin, denn als Interessenvertreterin der sozialen Bedürfnisse der Bürger_innen. In jüngster Zeit machten Bundes-, Landes- und Regionalregierungen in den Massenmedien auf sich aufmerksam, wie sie sich mit Kriegseinsätzen, einer verpfuschten Atompolitik und Projekten wie Stuttgart 21 wirtschaftlichen Interessen (stets mit dem Argument des Sachzwangs) unterordnen. Auch breite Proteste, wie gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen Atomkraft oder S21 hatten letztendlich keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen der Verantwortlichen.
Eindrucksvoll entfaltet sich hier eine der Grundproblematiken der parlamentarischen Gesellschaft, die auch in Bonn beobachtet werden kann:
Aufgabe der Stadtpolitik muss es sein, ihren Haushalt so transparent und „mitbestimmbar“ zu machen, dass es möglich ist, echte Alternativen zu schaffen – und zwar in allen Bereichen! Nur dann können wir von einer konsequenten und ernsthaften Beteiligung der Bürger_innen sprechen – alles andere ist Augenwischerei auf hohem Niveau.
Wir fordern echte Basisdemokratie in der Gesellschaft, in der die Menschen gleichberechtigt Entscheidungen treffen – weg von der Stellvertreter_innenpolitik der heutigen Zeit!
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass eine umfassendere Kritik hier nur verkürzt dargestellt werden kann. Eine gründliche Problemanalyse muss immer auch Staat und Kapital(ismus) aufgreifen. Dies ist aus Platzgründen hier nicht möglich, wir empfehlen also dieselbstständige Weiterinformation, z.B.:
– Horst Stowasser, „Freiheit pur!“, Kapitel 2-7
(im Netz frei erhältlich)
– „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ – warum das Leben im Kapitalismus nicht lebt
(im Netz frei erhältlich)
– oder auf unseren Websites:
ASJ Bonn
FAU Bonn
Diesen Text gibt es auch als PDF-Dokument in Form einer Mini-Broschüre zum Download !